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»ein video interview magazin

 

Ausgabe #2

Charismatiker des Alltags,
Superstar der kleinen Gesten.
Axel Prahl

E

r ist kleiner als vorgestellt. Wie alle Filmschaffenden lässt er sich gerne in seiner arbeitsfreien Zeit einen Bart wachsen. Aber wirklich arbeitsfrei ist diese Zeit nicht. Er trifft sich mit Produzenten, telefoniert mit Regisseuren, seiner Agentur, muss Drehbücher lesen und sich entscheiden, ob das was ist oder nicht, Leute treffen, Projekte anschieben oder ablehnen.

Wie entscheidet man, ob Projekte vielversprechend sind oder nicht? Unabhängig davon, ob es Newcomer sind oder bekannte Akteure, die etwas von einem wollen. Beim nächsten guten Ding dabei sein und nicht die falschen Projekte annehmen. Schauspieler können sich schnell verheizen. Auf die falschen Pferde gesetzt und

man wird nicht mehr von den richtigen Leuten angerufen.¶

Aber Prahl schafft es. Er macht die richtigen Projekte und seien es kleine Rollen oder Projekte mit Unbekannten, wenn sie nur bei ihm selber irgendwas im Bauch auslösen. Das beste Musikvideo des letzten Jahres hatte einen Protagonisten: Axel Prahl. Wenn es passiert von Wir sind Helden handelt davon, dass die Ich Person da sein will, wenn es passiert, wenn die Zeit gefriert, wenn sie explodiert. Der visuelle Darsteller dieser Metaphern dann also Prahl in seiner unnachahmlichen körperlichen Präsenz, der so häufig Kleinbürger, normale Menschen in ihrer Menschlichkeit spielt. Er ist anrührend, wie es die wenigsten Schauspieler sind.

[2] Wo sich andere hinter ihrer sonoren Stimme, einem vermeintlich ausdrucksstarken Falten-Gesicht als Zeichen der gelebten Existenz oder auch nur einer körperlichen Bilderbuchschönheit verstecken, bricht Prahl den kleinen Mann, den Normalen, den Dicken von nebenan mit einer Emotionalität, dass es einem - oder zumindest mir - das Herz zerreisst. Und er schafft es immer wieder. Halbe Treppe war bei mir der Einstieg in die Prahlverehrung, und er schafft es im Kino genau so wie in dem 3 1/2 Minüter von Wir sind Helden. Mit der gleichen Eindringlichkeit, mit derselben Präsenz. Verena Lueken beschreibt in der F.A.Z. seine Art zu spielen als eine tollpatschige Bodenständigkeit und sie umreisst damit zwei Bereiche, die Prahl verkörpert: Emotionalität

und Realität. Und beides zieht er aus seiner Physis, seinem Gesicht und seinem Spiel, das immer eine kleine Unachtsamkeit, einen kleinen Schlenker, ein kleines Daneben beinhaltet. Er improvisiert sich selbst und spielt sich in die Realität des normalen, des tatsächlichen Lebens wie sich andere in Klischees spielen. Das alles begann mit einer einzigen Szene in Nachtgestalten von Andreas Dresen, schlägt den Bogen zu dem eben beschriebenen Video von Wir sind Helden und ist manchmal in den Münster Tatorten in seiner Figur des Frank Thiel zu merken.¶
Dann also treffen wir ihn, er verspätet, wir nervös ob er die gefürchtete Schauspielerzicke sein würde, gehofft, dass er es nicht

[3] sei. „Hallo, na? Ich brauch noch Zigaretten, soll ich euch auch noch was mitbringen?” Wir gucken uns nur verdutzt an und wollen es kaum fassen.

Sein Anblick und seine Kumpelhaftigkeit lassen eher an einen gemütlichen Bauarbeiter als an die erste Riege des deutschen Schauspiels denken. Grinsend packt er mit an und hilft uns, unser Equipment in seine Wohnung zu schleppen. Wir müssen erst aufbauen, Licht setzen, und er fängt einfach an, zwischendrin am Klavier zu spielen, nimmt sich seine Gitarre. Drei Leute sind auch ein Publikum, und wir freuen uns über ihn und finden ihn schon vor dem Gespräch grossartig.¶

Wir trinken Kaffee, er spielt weiter am Klavier und auf der Gitarre. Er will nicht zu den singenden Tatort Kommissaren gehören, dabei singt er gut und hat Musik auf Lehramt studiert. Das Gespräch mit ihm ist extrem freundlich, er vergräbt sich hinter seiner ins Gesicht gehaltenen Hand, denkt nach, grinst.

Und dann das Erstaunliche als wir das Videomaterial digitalisieren: das Gesicht, die Augen. In natura ist er ein herzensnetter Typ, gutmütig und gemütlich, aber auf dem Bildschirm fangen seine Augen förmlich an zu glühen und sein Gesicht gleicht einer Offenbarung. Wir bekommen eine Ahnung davon, was das Magische an Prahl sein könnte.¶

[4] Die Geschichte vom Wir sind Helden Video ist noch nicht zu Ende erzählt.

Prahl also spielt einen reisenden Handelsvertreter, der sich in tristen Hotels wiederfindet und sich heimlich morgens vor dem Spiegel mit Niveacreme eine Irokesenfrisur macht, an seinem Autorückspiegel Indianer-Devotionalien baumeln hat und dann - vollkommen absurd, aber das ist egal - auf der Landstrasse mitten in der Pampa auf eine Gruppe von Indianern trifft. Er trifft Freunde nach einem trostlosen, beschissenen Alltag. Er hat sein Zuhause bei seinen Freunden gefunden. So pathetisch, so simpel.

Die Verkörperung dessen und das Spiel dieser absurden Geschichte wird von Prahl so dargestellt, dass man es nachvollzieht und dem Protagonisten folgt. Das ist seine Aufgabe als Schauspieler, aber Prahl geht weiter. Axel Prahl: Charismatiker des Alltags, Verkörperung der unscheinbaren Menschlichkeit, Superstar der kleinen, wahrhaftigen Gesten.¶

[5]

„Ein Herzschlag nur für mich und die, die bei mir sind
Augen auf, schaut euch das an
Wer dafür keine Tränen hat, wird morgen blind”
Textauszug aus Wenn es passiert von Wir sind Helden
Text: J. Holofernes

Wenn es passiert Video

Website Axel Prahl